Portrait: Nachts in Paris
Portrait: Nachts in Paris
Ich bin recht spät in Paris angekommen und erreichte gerade noch die letzte Metro zu meinem Hotel am alten Bureau de Sel im 7. Arrondissement. Dann war auch noch die dortige Station gesperrt und ich musste mit dem gesamten Gepäck früher aussteigen.
Mitten in diesem trostlosen, ansonsten menschenleeren Ensemble aus dem flackernden Tabac-Zeichen, dem verfallenen Kiosk und der leeren Weinflasche sah ich fast schon am Rande des Lichtkegels der nahezu umgebrochenden Laterne eine junge Dame, die im Nachtleben der Millionenstadt irgendwie gestrandet war und nun in Gedanken versunken, fast eingeschlafen an der Fassade lehnte. Es war eine der Situationen, in denen man als Fotograf nicht einfach vorbeigehen kann.
Ich schlich mich in sichere Entfernung und fluchte erstmal, weil ich keine Vollformatausrüstung dabei hatte. Dann öffnete ich ganz leise den Koffer, holte die 70D heraus, montierte das EF 50mm/1.8 und stellte ISO und Blende bis zum Anschlag. Langsam suchte ich die beste Perspektive und fokussierte. Bei rasendem Puls hielt ich die Luft an und drückte den Auslöser… Beim Klacken der Kamera bemerkte sie mich. Ich machte mich auf ein Donnerwetter gefasst. Mit dem ganzen Gepäck hätte ich noch nicht einmal wegrennen können. Doch mit großer Verwunderung sah ich durch den Sucher, wie sie sich aufrichtete, durch ihr Haar strich, und mir lächelnd ein weiteres Foto gestattete.
Im Nachhinein sieht man an den Bildern sehr deutlich, dass Paris auch an den heruntergekommensten und verwahrlosesten Stellen Flair und Charme wie keine zweite Stadt hat.